Einführung in die Ausstellung mit Werken von Brigitte Struif im Kulturhaus Hamm (Sieg)
am 17. Februar 2008 - Gudrun von Schoenebeck M.A.

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Frau Struif,

ich freue mich, heute die einführenden Worte für diese Aus- stellung sprechen zu dürfen.
Dies umso mehr, wenn man erleben kann, wie sich ein Kul- turhaus, das ja für die Menschen gebaut worden ist, mit Kultur, mit Kunst und mit Menschen, die dies genießen wollen, füllt.
Es ist nun nicht so, dass ich die Künstlerin und ihre Arbeiten schon seit vielen Jahren kennen würde. Im Gegenteil: Brigitte Struif bin ich vor kurzem zum ersten Mal in Vorbereitung zu dieser Ausstellung begegnet. Als ich sie in ihrem Atelier be- suchte und wir über ihre Arbeiten sprachen, war ich ehrlich verblüfft, als ich hörte, dass sie sich erst seit rund fünf Jahren intensiv mit der Malerei beschäftigt hat. Ich hätte geschwo- ren, dass ihre Bilder das Ergebnis eines künstlerischen Entwicklungsprozesses sind, für den die meisten Künstler viele Jahre benötigen.


Als ich sie auf diese Beobachtung ansprach, wirkte Brigitte Struif gar nicht erstaunt. Sie habe immer gewusst, dass irgendetwas raus will, sagte sie, dass ihre ständig nach- wachsenden Ideen sich in Farbe materialisieren wollten. Für sie schien es also ganz normal zu sein, dass etwas, was sich über lange Zeit in ihrem Innern entwickelt hatte, nun endlich eine Form erhalten durfte.
Ihren künstlerischen Gestaltungswillen hat Brigitte Struif schon vor vielen Jahren für sich entdeckt. Gemalt habe sie immer und sich für Kunst interessiert, wie sie sagt. Aber erst in den letzten Jahren, als Platz und Zeit endlich vorhanden waren, ist aus dem begleitenden Nebenbei eine Hauptsache geworden. Und die Energie, mit der Brigitte Struif nun begann, ihre inneren Bilder auf die Leinwand umzusetzen, ist unmit- telbar in den Werken zu spüren.
Kurse, die die Künstlerin im Zeichnen oder Aquarellmalen besuchte, haben, ebenso wie etliche Workshops an Akade- mien, sicher manche technische oder gestalterische Frage beantwortet. Ihren individuellen Stil, ihr künstlerisches Aus- drucksvermögen hat Brigitte Struif jedoch sehr schnell und, wie es scheint, sehr selbstständig gefunden.
Nähern wir uns den Bildern dieser Ausstellung zunächst über die Wahl der Themen und Motive. Hinweise dazu finden wir bei den Bildtiteln, die von der Künstlerin stets sorgfältig aus- gewählt werden. „Das Ohr des Dionysos“, „Tulpe“, „Atacama“ oder „Under the surface“ – diese Titel beziehen sich auf kon- krete Dinge, denen Brigitte Struif begegnet ist.
Daneben findet man mindestens genauso oft abstrahierende Bezeichnungen wie „Gedankenknoten“ – es ist das Bild von der Einladungskarte – „Gefühltes Rot“, „Broken Blue“ oder „Angst vor den Nachrichten“. Hier ist der Auslöser für den Bildanlass eine innere Wirklichkeit gewesen, die dennoch nicht weniger real ist, als eine Sache, die wir mit den Augen sehen können.
Die Unterscheidung zwischen der objektiv erfassbaren Reali- tät und der inneren Welt des Menschen mit all seinen Emoti- onen und Gedanken ist für zeitgenössische Künstler eine Kategorie, die zu vernachlässigen ist. Das gilt auch für Bri- gitte Struif. Beides, die Welt vor ihrem äußeren und vor ihrem inneren Auge sind für ihre Kunst gleichermaßen von Bedeu- tung.
Wenn wir uns nun einige der Bilder etwas genauer anschau- en, werden wir deutliche Reminiszenzen an die reale Welt entdecken. Dies aber nur als Ausgangspunkt für eine eigen- ständige Bildkomposition, die ihre Berechtigung nicht als Ab- bild der Wirklichkeit, sondern als künstlerische Sichtbarmach- ung der Wirklichkeit erhält.
Das, was ich meine, hat der große deutsche Expressionist Franz Marc in seinen Worten gesagt. Einmal wurde er in sei- nem Atelier von einer Dame besucht, die sich über ein Bild empörte, auf dem einige Pferde in leuchtendem Blau zu sehen waren. Auf ihren, eigentlich ja berechtigten Einwand: „Pferde sind nicht blau“ entgegnete Marc lapidar: „Ich male keine Pferde, ich male Bilder.“
Für ihr Bild „Das Ohr des Dionysos“ ließ sich Brigitte Struif durch eine Sizilien-Reise anregen. Dort, im archäologischen Park von Syrakus liegen die antiken Steinbrüche mit der be- rühmten Grotte „Das Ohr des Dionysos“. Der Legende nach soll der Tyrann Dionysos in der Grotte, die durch ihre außer- gewöhnliche Akustik und Form bekannt wurde, seine Gefan- genen belauscht haben. In der malerischen Umsetzung des Themas werden Sie Anspielungen auf den Steinbruch als Ort der Sklavenarbeit finden, eine Gruppe von Gestalten zieht diagonal durch den Bildraum, angedeutete Säulen verweisen auf die Tempel, die aus diesen Steinen errichtet wurden.

In der Arbeit „Samson und Delila“ nimmt die Künstlerin sich eines Stoffes aus dem Alten Testament an. Sie kennen die Geschichte von Samson, dessen Haare die Quelle für seine übermenschlichen Körperkräfte sind. Als seine Geliebte Delila das Geheimnis seiner Stärke entdeckt und ihn an die Philister verrät, wird er zum tragischen Helden.
Weibliche Verführungskunst und männliche Stärke, Verrat und Liebe, Zerstörung und Rache sind die Themen. Brigitte Struif sieht Samson und Delila als miteinander verstrickte und doch entgegen gesetzte Kraftfelder.
Häufiger noch als diese beiden Beispiele für erzählende Arbeiten, lässt sich die Künstlerin von der Natur inspirieren. Etliche Werke greifen den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen auf, den Rhythmus von Wachsen und Verblühen, das Miteinander von Ordnung und Chaos. Auch in diesen Bildern wird, wenn man so will, etwas erzählt. Die Künstlerin erzählt von den Energien und Kräften der Erde, von der Ankündigung des Frühlings oder vom Leben unter der Wasserober- fläche.
Im Bild der „Tulpe“ beherrscht die große weiße Blüte eine Komposition voller Dynamik. Zwischen der zarten Pflanze und den gesteinsartigen Formationen in starkem Blau und leuchtendem Türkis entwickelt sich die inhaltliche Spannung des Bildes. Formal balanciert Brigitte Struif trittsicher auf dem schmalen Weg zwischen Abstraktion und Gegen- ständlichkeit. Ein Weg, der dem Betrachter Angebote macht und ihm gleichzeitig die Freiheit der eigenen Anschauung souverän überlässt.

Ähnliches gilt für das vierteilige Bild „Atacama“. Die Atacama ist eine Wüstenregion im Norden Chiles, in der es alle sechs bis zehn Jahre zu heftigen Niederschlägen kommt, die für kurze Zeit die Wüste erblühen lassen. Das Aufeinander- treffen von extremer Trockenheit und dem Regen, der Leben bringen wird, zwischen der erstarrten Erde und dem fließen- den Wasser – all das kann man im stark vertikalen Bildauf- bau, in dem Gegensatz vom Blau des Wassers und dem Gelb und Ocker der Erde wiederfinden.
Wenn wir nun noch einen Blick auf die malerischen Mittel, die Brigitte Struif einsetzt, werfen, steht sofort recht dominant die Farbe im Fokus der Aufmerksamkeit. Da ist vor allem das Blau in allen Intensitäten und Schattierungen: vom luftig- zarten Hellblau über das gesättigte Königsblau bis zum grünlichen Türkisblau ist es die erklärte Lieblingsfarbe der Malerin. Wenn Sie sich die Bilder der Ausstellung einmal nur unter dem Aspekt der farblichen Gestaltung anschauen, werden Sie feststellen, wie stark die Wirkung der Farbe von seiner Umgebung abhängig ist. Das Blau in Verbindung mit einem strahlenden Weiß ergibt für die Gefühlswelt des Bildes völlig andere Voraussetzungen als ein Blau, dass beispiels- weise auf die dominante energiereiche Farbe Rot trifft.
Brigitte Struif trägt alle Farben in lasierenden Schichten auf. Was Sie auf der Bildoberfläche sehen ist also immer ein Zusammenwirken mehrerer Farben aus der Tiefe heraus. Die so entstandene Komplexität ist nicht so sehr sichtbar, son- dern vielmehr spürbar als eine räumliche Farb- wirkung, die sich von der Flächigkeit des Bildträgers, der Leinwand, löst.
Gehalten, geformt und strukturiert wird die Farbe durch die Linie. Meistens, nicht immer, ist sie schwarz. Innerhalb des Entstehungs- prozesses des Bildes kommt die Zeichnung spät zum Einsatz. Erst wenn die Farben, die Flächen und Formen bereits angelegt sind, setzt die Zeichnung Akzente. Mal um- randet sie eine farbige Fläche und markiert sie als isolierte Form, mal trennt sie verschiedene Bildbereiche in breitem Pinselstrich voneinander ab und mal zuckt sie als schwarze Linie eigenständig durch die Komposition.
Im Bild „Gedankenknoten“ hat sich die schwarze Linie zu einem Knäuel verdichtet. Einer Form, die verschiedene Richtungen einschlagen kann – gehalten zwischen Sachlichkeit und Emotionalität.
Und im dreiteiligen Bild „Angst vor den Nachrichten“ taucht das Schwarz als strukturierende Linie und als Flächenfarbe auf. Brigitte Struif hat hier den Blick von ganz weit oben auf unsere Welt gerichtet. Es ist die Position einer Beobachterin im Weltall, die mit kritischer Distanz Wasser, Vegetation und Boden unterscheidet, die bevölkerte und unberührte Gebie- te sieht. Die Nachrichten, die von den Menschen dort unten jeden Tag aufs Neue verbreitet werden und die selten gute Nachrichten sind, hat die Beobachterin auf ihrem weit entfernten Posten zumindest bildlich einmal hinter sich gelassen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen viel Freude in dieser Ausstellung.

 

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