Katalog "Die Sprache der Farbe" mit Werken von Brigitte Struif
zur Ausstellung in der Galerie der Westerwaldbank Hachenburg
Text von Gudrun von Schoenebeck M.A., Kunsthistorikerin, Kulturjournalistin, Oktober 2011

Es ist ein Farbereignis, das sich auf der Leinwand abspielt. Strahlendes Türkisblau, begleitet von verschiedenen Grüntönen, leuchtendem Weiß und einem hellen Ocker beherrscht die Szene, in der verschiedene Violett- und Veilchentöne ihren großen Auftritt bekommen. Die Serie „Feeling Violet“ von Brigitte Struif setzt sich mit einer Farbe auseinander, die sowohl modisch aktuell als auch kulturgeschichtlich tief verwurzelt ist. Sie erforscht ihre Möglichkeiten, ihre optischen Qualitäten und metaphorischen Assoziationen. Flächige Formen ähnlich schwebenden Tüchern wechseln sich ab mit rundlich geschwungenen Linien und kleinen blütenartigen Ovalen. Durchkreuzt, gefasst und gehalten wird dies durch zarte schwarze Linien, die die farbigen Formen einfassen, ohne sie einzuengen. Brigitte Struif arbeitet mit

Komplementärkontrasten, wenn etwa ein helles Grün und Magenta, die im Farbspektrum gegenüber liegen, im Bild aufeinander treffen und sich gegenseitig in ihrer Leuchtkraft verstärken. Mit verschiedenen Tonwerten, also Helligkeitswerten der Farben, setzt die Malerin geschickt Akzente, etwa wenn unvermittelt ein dunkles Grün am unteren Bildrand auftaucht.
Eine außerordentliche malerische Könnerschaft, geleitet von Intuition und gedanklicher Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Themen, sind die Zutaten in Brigitte Struifs Bildern. Dass der Betrachter rein formal in die Bildwelt einsteigen, von immer wieder anderen Ausgangspunkten die vielschichtige Komposition erkunden kann, ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. In der Serie „Feeling Violet“, die Bilder IV und V sind 2011 entstanden, spürt die Malerin der Farbe Violett, die zwischen den gegensätzlichen Qualitäten von Rot und Blau liegt, auch inhaltlich nach. Violett als „Zeitgefühl in Farbe“, wie Brigitte Struif es nennt, kann als Synonym für die Ambivalenz des gegenwärtigen Zeitgeistes stehen. Die Farbe, im 19. Jahrhundert von der Frauenbewegung (wieder)entdeckt, ist ein Symbol für die Gleichbehandlung der Geschlechter, für die Verbindung von Ruhe und Aktivitität, von Sinnlichkeit und Geist. Auch die Modeindustrie dieser Tage hat die gesamte Skala der Blau-Rot-Mischung – von Aubergine, Brombeer, Violett, Lila und Magenta bis hin zum helleren Pink – als aktuelle Trendfarbe erkoren.
In der christlichen Welt hat Violett eine lange Tradition als Farbe der Besinnung und Spiritualität und wird während der Fastenzeit und im Advent eingesetzt. Es zeichnet Brigitte Struifs Bilder aus, dass dies alles und, je nach persönlicher Assoziationstiefe des Betrachters, noch viel mehr, in ihnen angelegt ist. Jedoch ohne die Interpretation vorwegzunehmen oder gar vorzugeben.

Brigitte Struif schöpft ihre Inspiration aus den unterschiedlichsten Quellen. Die Unterscheidung zwischen realer Welt, Erlebtem, Gedachtem und Gefühltem ist dabei unerheblich. Eine Nachricht im Fernsehn, eine Begegnung während einer Reise, eine persönliche Emotion oder eine kulturhistorische Reminiszenz – Ausgangspunkte für Bildideen gibt es unendlich viele. Sodann versteht es die Künstlerin, aus Anleihen und Andeutungen der realen Dingwelt, der abstrahierenden Sprache der Farben und Formen und dem sorgsam gewählten Bildtitel eine eigene, einzigartige Bildwelt zu erschaffen, die den Betrachter einlädt, sich darin zu vertiefen.

Etwa in der großformatigen Arbeit „Commedia dell’ Arte“ von 2009. Schon das deutliche Querformat lässt gleichsam einen Bühnenraum erstehen, auf dem sich die farbenfrohe Verwechslungs- oder Liebeskomödie vor unseren Augen abspielt. Die italienische Commedia dell’ Arte als ein stilisiertes Maskentheater mit immer wiederkehrenden auf ihre Rollen festgelegte Stereotypen interpretiert Brigitte Struif völlig frei. Statt Harlekin und Colombina lässt sie den starken Farben den Vortritt. Es begegnen sich ein dunkles Blau, ein zartes Grün und unterschiedliche Violett-Töne. Analog zum Charakteristikum der italienisch-rasanten Komödie, in der die Schauspieler ohne festgelegten Text sprachen und daher ihrem Improvisationstalent viel Spielraum lassen konnten, hat auch die Künstlerin ihren assoziativen Freiraum genutzt. Und doch entdeckt man, am unteren mittleren Bildrand, eine der Masken, wie sie typischerweise als Requisite zur Commedia dell’ Arte gehörten.

Nicht immer jedoch stattet Brigitte Struif ihre Geschichten mit derselben Detailfreude aus. Manche Themen, so scheint es, wollen klarer und mit einem eher sprödem Charme ausgesprochen werden. Das gilt zum Beispiel für die 2006 entstandene Arbeit „Interimistisch“. Man kommt nicht umhin, die Wortbedeutung des Titels, die im allgemeinen Sinne eine Übergangszeit, eine Zwischenlösung meint, auch für die Bildkomposition anzuwenden. Das fällt nicht schwer, denn Brigitte Struif arbeitet mit kantigen, sich deutlich abgrenzenden Formen und viel Weißraum, der ein Dazwischen überhaupt erst möglich macht. Braunrot und Schwarz dominieren die Stimmung des Bildes, ein abgetöntes Blau akzentuiert die Grenze zum Weiß. An welche Art von Zwischenzustand man hier denken möchte, überlässt die Malerin dem Betrachter. Manchem mag die Politik und deren Übergangsregierungen einfallen. Jemand anders sieht sich vielleicht im privaten Bereich mit einer Interimslösung konfrontiert.

Eine Liste mit Inspirationsquellen von Brgitte Struif wäre unvollständig, würde darin die Natur fehlen. In zahlreichen Werken greift die Künstlerin den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen auf, den Rhythmus von Wachsen und Verblühen, das Miteinander von Ordnung und Chaos. Auch in diesen Bildern wird, wenn man so will, etwas erzählt. Hier geht es um die Energien und Kräfte der Erde, von der Ankündigung des Frühlings, von den Farben der Wüste oder vom Leben unter der Wasseroberfläche. Ein recht junges Bild aus diesem Jahr erinnert an die „Sommerhitze flirrend“. Rote und orangefarbene Blüten vor türkis-grauem Hintergrund beschwören die Leichtigkeit eines heißen Sommertages, in dessen Schönheit die Vergänglichkeit bereits angelegt ist. Ein Memento-mori-Motiv, das Brigitte Struif als Stillleben in heiteren Farben angelegt hat.

Brigitte Struif ist eine Malerin, die ihre ureigene Bildsprache gefunden hat. Der intuitive und absolut sichere Umgang mit der Farbe als einem bestimmenden Bildelement in Verbindung mit der Zeichnung als grafischer Bereicherung, die durchaus eigenständige Wege im Bild gehen kann, zeugt von großer Souveränität in der Verwendung der kompositorischen Mittel. Hinzu kommt der persönliche Duktus und technisch versierte Auftrag der Farbe, die in lasierenden Schichten übereinander gelegt wird und so aus der Tiefe heraus wirken kann. Im Bild entsteht eine Komplexität, die als räumliche Farbwirkung spürbar wird und sich, ohne Anwendung klassischer perspektivischer Mittel, aus der Flächigkeit des Bildträgers löst.

Ähnliche Aussagen lassen sich auf inhaltlicher Ebene treffen. Brigitte Struifs Beschäftigung mit bestimmten Themen lässt sich schon allein aus den Bildtiteln ablesen. Wir erfahren, was ihr wichtig genug war, um es in einem Bild aufzugreifen und zu verarbeiten. Wie weit sie sich dafür aus der erkennbaren Dingwelt in die Abstraktion zurückzieht, ist sehr unterschiedlich. Dass dabei keine Interpretation der täglichen Nachrichten, keine Nacherzählung der Natur oder gefühlsbeladene Gute-Laune-Bilder entstehen, sondern vielschichtige Kompositionen, die dem Betrachter eigene Assoziationen, Emotionen und Gedanken nicht nur erlauben, sondern ihn geradezu dazu ermuntern, ist die Kunst in Brigitte Struifs Malerei.

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