Einführung in die Ausstellung ABSTRAKTES & FLORALES
Brigitte Struif und Roswitha Enzmann
in der Domgalerie Merseburg am 25.0.2017 um 19.00 Uhr
von Dr. Kerstin Borchardt, Universität Leipzig

Nach dem Kulturhistoriker Walter Benjamin ist Farbe niemals nur an sich sondern immer Teil von etwas. Farbe war für ihn der „Ausdruck, in die Welt aufgenommen zu sein“. Auch wenn diesem malerischen Statement teilweise zuzustimmen ist, zeigt die bildende Kunst immer wieder, dass die Farbe noch viel mehr kann. Sie ist nicht nur Teil der uns umgebenden Welt, sie kann in den Händen von kreativen Menschen auch ganz neue eigene Welten erschaffen. Wir haben heute hier in der Domgalerie in Merseburg das Glück, gleich zwei solcher Schöpferinnen – Brigitte Struif und Roswitha Enzmann – sowie ihren in den Bildern sichtbar gewordenen Farbwelten zu begegnen. Die Künstlerinnen zeigen ABSTRAKTES & FLORALES, worin sich auch zahlreiche Facetten ihrer Kunstauffassungen und Lebenswege widerspiegeln.


Brigitte Struif absolvierte diverse Kurse und Ausbildungen, so z.B. an der Europäischen Kunstakademie in Trier bei Petri und Kroth, an der Kunstakademie KSI in Bad Honnef bei Markus Lüperz und an der Sommerakademie für Bildenden Kunst und Medientechnologie bei Herbert J. Traub in Venedig. Die zahlreichen internationalen Stationen ihrer Ausstellungen aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Veranstaltung bei weitem sprengen; erwähnt sei hier nur exemplarisch ihre Ausstellungstätigkeit in Berlin, Warschau, Shanghai, Salzburg und New York.
Nicht nur aus ihren Studien und Reisen, sondern auch aus den unterschiedlichsten Eindrücken und Ereignissen aus der Lebenswelt zieht sie Inspirationen für ihre Kunstwerke. Brigitte Struifs Bilder sind zur Form geronnene Farbfantasien, in denen verschiedene lasierende Farbschichten ebenso wie unterschiedliche Sinnschichten und Bedeutungsebenen ineinander fließen. Nahezu sinnbildlich dafür steht ihre Werkserie „Feeling Violet“, von der wir heute eine Variation bestaunen können. Violett ist wahrscheinlich die Farbe, die das Prinzip des Vieldeutigen und Unbestimmten am besten codiert. Das englische Wort „Violet“ kann sowohl „Lila“ als auch „Veilchen“ bedeuten. Auch der Bildtitel „Feeling Violet“ suggeriert eine recht ungreifbare Gefühlsregung irgendwo zwischen „Blau“ und „Rot“. Außerdem ist die Farbe symbolisch vielfach aufgeladen. Sie ist die Farbe der Könige ebenso wie eine Lieblingsfarbe kleiner Mädchen, die darüber entscheiden können, ob ein Kleidchen zum Lieblingsstück avanciert oder im Schrank verstaubt. Im Bild selbst komponiert Brigitte Struif das Violett mit anderen Farbtönen zu einer abstrakten Farbsymphonie, deren schwungvolle Formen beim Betrachter widerhallen und eigene Stimmungen sowie Assoziationen anregen sollen. Das Prozessuale der Werke zeigt sich nicht allein in ihrer Kommunikation mit dem Betrachter, sondern ebenso in der Form, die stets auch von ihrer Entstehung erzählt. Denn Struifs Bilder sind selten von vornherein durchkonzipiert, vielmehr entspringen sie einem inneren künstlerischen Bedürfnis, sich in Farbe auszudrücken. Inhalt und Form sind dabei nicht von Beginn an festgelegt und ergeben sich erst während des Werkentstehungsprozesses. Es sind „Gedankenknoten“, die sich entwirren und wieder verschlingen und dadurch in den Gemälden Gestalt annehmen.
Weniger mit Knoten als mit Teilchen und „Schüttungen“ arbeitet Roswitha Enzmann. Die Stuttgarter Künstlerin absolvierte ein Studium an der Freien Kunstakademie in Nürtingen. Sie ist Mitglied bei [KUN:ST] KUNST STUTTGART INTERNATIONAL (ebenso Brigitte Struif) und ihre künstlerische Laufbahn zeichnet sich ebenfalls durch eine rege Ausstellungstätigkeit, z.B. in Deutschland, Frankreich, Spanien, Tschechien und in Übersee aus. Eine wichtige Inspirationsquelle für ihre Werke sind die mediterranen Landschaften und Städte, allen voran Enzmanns zweite Heimat Ibiza. Dort entstanden neben den hier zu bestaunenden Gemälden auch diverse Skulpturen und Fresken.
Die wichtigsten Anregungen für ihre Bilder zieht Roswita Enzmann sowohl aus den Formen der Natur, wie Ginkgoblättern, Blüten und Sandkörnen, als auch aus der Atmosphäre des zwischenmenschlichen Miteinanders. Ihre Bilder strotzen vor bunten Flecken und Spritzern von Farben ebenso wie von grobkörnigen Materialien. Es sind pulsierende, vibrierende Streuungen, Schüttungen und wahre Farbexplosionen, die an eine Art Urknall – sowohl als allegorischer Beginn der künstlerischen Schöpfung als auch an den kosmologischen Uranfang – denken lassen. In ihren Werken sucht die Künstlerin die versteckten Prinzipien und Wahrheiten hinter den Dingen, die unserer aller Existenz zugrunde liegen. Diese Suche nach Verbindungen und Kommunikation zeigt sich besonders in ihren „Netzbildern“, in denen die Farbstrukturen den in der äußeren Welt unsichtbaren Verbindungslinien zwischen den einzelnen Phänomenen – durch die das scheinbar Getrennte zusammengeführt wird – nachspüren.
Und auch uns haben die Netze und Knoten aus Farben und Formen in der Kunst von Roswitha Enzmann und Brigitte Struif heute Abend hier zusammengeführt, um gemeinsam an den berauschenden Bildwelten teilzunehmen, miteinander ins Gespräch zu kommen und auf die verbindende Kraft der Farben sowie die Künstlerinnen, die sie uns vor Augen führen, anzustoßen. Ich wünsche uns allen einen schönen, kommunikativen und farbenfrohen Abend!

Dr. Kerstin Borchhardt
Universität Leipzig

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